LOOKING FORWARD LOOKING BACKWARDS

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Teilnehmende Künstler:

Andreas Blank

Stefan Draschan

Thomas Draschan

Manfred Peckl

Künstler des „Art Brut“ -Specials

(kuratiert von Anna Fech)

Annemarie Delleg

Klaus Pörnbacher

Arnulf Rainer

 

 

Nach dem großen Erfolg ihrer ersten Ausstellung mit dem Titel „Who Cares? Social Responsibility

in Contemporary Art“ eröffnet Isabel Bernheimer am 16. September 2015 die zweite Ausstellung ihrer Agentur

Bernheimer Contemporary Art Solutions and Projects in der Residenz Monbijou unter dem Titel

„Looking Forward Looking Backwards“.

In den ausgestellten Werken der Künstler werden Vergangenheit und Gegenwart miteinander verbunden. Aus

alten, gebrauchten Materialen kreieren die Künstler etwas völlig Neues. Die Materialität rückt in den Vordergrund,

denn ihr ursprünglicher Kontext lebt nur noch im Auge des Betrachters und nicht auf der verfälschten Oberfläche

selbst.

Andreas Blank schafft aus edlen Gesteinen wie Marmor und Alabaster, die in der Antike nur Götter- und

Kaiserstatuen vorbehalten waren, zeitgenössische, teilweise ganz alltägliche Objekte, als Spiegel des Hier und Jetzt.

Seine Werke bestechen durch Präzision und Feinfertigkeit, sodass ihre Materialität auf den ersten Blick nicht

erkennbar ist. Getarnt als Alltagsgegenstände aus Plastik oder Papier, Materialien die heute selbstverständlich

geworden sind, schafft er altmeisterliche Kompositionen mit einem Aha-Effekt. Durch diesen Bruch, diese

Irritation des ersten flüchtigen Blickes, verleiht Blank seinen Stillleben einen nahezu absurden Charakter.

Stefan Draschan, Fotograf und Fahrrad-Aktivist, zeigt seinen scharfen Blick auf seine Umgebung in drei

Fotoreihen. Für seine Reihe People Matching Artworks legt er sich in Berliner Museen stundenlang, manchmal

tagelang auf die Lauer, um Menschen von Heute vor altehrwürdigen Kunstwerken spontan und innerhalb von

Sekunden abzulichten, sobald er einen optischen Bezug zwischen Betrachter und Werk sieht. Sei es das Muster der

Kleidung des Museumsbesuchers, das sich in einem Wandteppich wiederfindet oder eine bestimmte Farbgebung.

Er hat dabei seine Vorgehensweise so perfektioniert, dass er sich fast blind in Berliner Museen und Galerien

auskennt. So weiß er selbstverständlich, dass die Farbe Rot in der Alten Nationalgalerie

auffällig unterrepräsentiert ist. Draschan ist per Du mit Museumswärtern, da kommt es durchaus vor, dass  diese

ihn auf interessant gekleidete Besucher hinweisen. Auf der geduldigen Suche nach Motiven entschleunigt

er einerseits das hektische Leben der Außenwelt, andererseits verlangt der richtige,  aber flüchtige Moment eine

blitzartige Reaktion. In seinen Fotografien wird dieser gegenläufige Prozess vereint.

Künstler und Filmemacher Thomas Draschan arbeitet mit gefundenem Material, er dekontextualisiert Elemente

aus alten Fotographien, Magazinen oder Postkarten und bringt sie in seinen eskapistischen Collagen in einen neuen

Zusammenhang. Thomas Draschan spielt somit wie Andreas Blank mit der kodierten Wahrnehmung des

Betrachters und übt Kritik aus. Ästhetisch gesehen, bietet der futuristische Retro-Touch der Collagen ein

Spannungsverhältnis der Zeit. Seine Tapisserien verwerten und beleben alte Stoffe neu, hochwertige Stoffe der

Vergangenheit aus zweiter Hand und minderwertige Discounter Stoffe aus dem heutigen Markt werden

miteinander verwoben.

Auch Gesamtkünstler Manfred Peckl schöpft aus wiederverwertetem Material, seine Collagen wirken zwar auf

ersten Blick wie Malerei, aber auch hier wird der Betrachter getäuscht. Die Quelle seiner Arbeiten sind schlicht

Druckerzeugnisse wie Plakate, die er in Einzelteile nach Farbe, Form und Schrift zerlegt, sortiert und neu

zusammenfügt. Es wird zerstört um neu zu schaffen. „Malerei mit anderen Mitteln“ nennt er dieses Prinzip,

angepasst an die heutige Zeit und Kultur, in der ein Maler kein Maler mehr ist. Durch die weitere Überarbeitung

der Arbeiten mit geschreddertem Schwarz entsteht der Eindruck des Überschüttens mit Pech oder Teer. Der

Künstler transformiert dadurch die einstigen „Gute-Laune-Menschen“ aus den Plakaten zu düsteren Gestalten. Ein

ironisch-kritischer Eingriff, denn mit dem „teeren“ bezieht er sich auf die Kennzeichnung von Außenseitern in

unserer Gesellschaft, die früher wie heute zur „Unterhaltung“ der Allgemeinheit dienen. Wie Thomas Draschans

Werke sind auch Manfred Peckls Arbeiten meist von überbordendem Charakter, gefüttert von Anspielungen an die

Kunstgeschichte und biographischen Bezügen.

Zusätzlich hat Isabel Bernheimer Anna Fech gebeten, einen speziellen Raum zum Thema Art Brut bzw. Outsider

Art zu kuratieren. Im Dialog werden die Arbeiten von Annemarie Delleg, Klaus Pörnbacher und Arnulf

Rainer gezeigt. Im Ausstellungskontext bilden die Arbeiten von Delleg und Pörnbacher, die beide mit Down-

Syndrom zur Welt kamen, eine Art Einschnitt. Denn sie blicken weder zurück, noch nach vorne. Ihre Werke

sprechen von der Intensität des Augenblicks und der vollkommenen Hingabe an das gegenwärtige Gefühl.

Möglicherweise ist das, was wir „normale“ Menschen Behinderung nennen, tatsächlich eine Befreiung vom Grübeln

über die Zukunft sowie vom Nachdenken über die Vergangenheit, was ein maximales Verschmelzen mit dem

Augenblick und der Gefühlswelt möglich macht. So werden Dellegs Zeichnungen zu einem Versuch diese Intensität

des Lebens in ihrem eindringlichen Strich einzufangen. Wieder und wieder umfährt sie Konturen, um das Schwarz

zu vertiefen und die Umrisse zu präzisieren. Pörnbacher dagegen trägt impulsiv und in kraftvoller Schraffur, mit

seinem Lieblingswerkzeug der Ölkreide, Farbschicht um Farbschicht auf, bis sich ein dichtes Geflecht aus

Farbbüschen und -flächen ergibt. Sie ähneln den rastlosen Übermalungen Arnulf Rainers, meist kann man nur

erahnen was sich einst darunter befand. Auf der Suche nach neuen körperlich-

physikalischen Ausdrucksmöglichkeiten sowie einem direkteren Zugriff auf das Unbewusste beschäftigte sich

Arnulf Rainer seit den 1960er Jahren intensiv mit der Kunst psychisch und geistig behinderter Menschen. Ihre

Kunst und Verhaltensweisen wurden zu einer seiner wichtigsten Inspirationsquelle für seine eigenen Arbeiten.

Heute zählt er zu den bedeutendsten Förderern und Sammlern für Art Brut, u.a. beinhaltet seine Sammlung Werke

von Annemarie Delleg. Wir danken der Galerie Jo van de Loo für die freundliche Unterstützung.

Kontrovers bleibt nach wie vor die Etikettierung mit Art Brut, der sog. rohen Kunst oder Außenseiter Kunst. Von

Jean Dubuffet in den 1940er Jahren geprägt, ist sie ist kein richtiger Stilbegriff, sondern bezeichnet vielmehr

die Art der Herstellung abseits der Einflüsse des Kunstbetriebes und jenseits allgemeiner Konventionen. Auch

wenn sich dieser Begriff in der heutigen Kunstszene etabliert hat und als Kunstrichtung unter Visionary Art,

Artist’s Art und Naiver Kunst sich den Weg zu Biennalen und Kunstmessen ebnete, reduziert er doch die

Betrachtungsweise der Werke. Bei Bernheimer Contemporary soll deshalb keine Polarisierung von „Norm“

und „Abseits der Norm“ vorgenommen werden. Die Werke werden im Dialog zueinander gezeigt, bei der die

Qualität der Kunst im Vordergrund steht und nicht der Hintergrund der Künstler.

Selbstverständlich sind auch in dieser Ausstellung Vertragskünstler der Agentur Bernheimer Contemporary zu

sehen, unter anderem die Malerin Milana Schoeller, Konzeptkünstler Jan Kuck und Designer Dirk Biotto.